Freitag, den 04. Juni 2021 um 04:28 Uhr

Chemiker der Saar-Uni formen Blätter des Johannisbrotbaums mit seinen feinen Strukturen ab

Die Pflanzen- und Tierwelt hat über Jahrmilliarden mikroskopisch kleine Oberflächenstrukturen geschaffen. Diese dienen auch für technologische Anwendungen als Vorbilder, weil sie zum Beispiel eine besonders gute Haftung ermöglichen oder das Licht auf eine spezielle Weise reflektieren. Solche Strukturen nachzuformen, ist allerdings oft sehr schwierig. Forschern der Universität des Saarlandes ist dieses Kunststück nun mit Blättern des Johannisbrotbaums gelungen. Dabei spielten speziell entwickelte Werkstoffe eine zentrale Rolle.

Technische Beschichtungen, an denen das Wasser in großen Tropfen abperlt, so dass sich die Oberflächen selbst reinigen können, haben ihr Vorbild in der Natur. Das bekannteste Beispiel sind die Blätter der Lotus-Pflanze. Den nach ihr benannten Lotus-Effekt versucht man schon seit Jahren künstlich nachzuahmen. Dabei entstehen so genannte superhydrophobe Beschichtungen, die in vielen Nischenmärkten der Luft- und Raumfahrt, der Marine, des Bauwesens, der Automobilindustrie und der Biomedizin zum Einsatz kommen können. Von den unterschiedlichen Herangehensweisen hat sich das Abformen und die Schaffung von Imitationen der originalen Oberfläche (Replikas) als die einfachste Methode erwiesen.

„Hier bereiten jedoch die mikroskopisch feinen Strukturen in Kombination mit der Oberflächenchemie der Blätter Probleme. Zudem scheitert der Abformprozess entweder an der Abbildung der mikroskopischen Strukturen oder an der Bildung von Replikas“, erklärt Guido Kickelbick, Professor für Anorganische Festkörperchemie an der Universität des Saarlandes. In einem internationalen Forschungsprojekt ist es seiner Arbeitsgruppe gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Portugal und Schweden nun gelungen, durch spezielle Polymerkombinationen die Oberflächen von Blättern des Johannisbrotbaums genauestens abzubilden.

„Da die Oberfläche der Blätter mit einer Art Wachs beschichtet ist, das bereits bei niedrigen Temperaturen schmilzt, konnten wir kein geschmolzenes Polymer zur Abformung verwenden“, so Professor Kickelbick. Stattdessen kamen spezielle Silikone zum Einsatz, die bereits bei niedrigen Temperaturen aushärten. „Die Kunst bestand darin, die abgeformten Strukturen in Replikas abzubilden, ohne die vorhandene mikroskopische Textur der Johannisbrotbaum-Blätter zu beeinflussen.“ Dieses schwierige Unterfangen konnte das Team um Guido Kickelbick durch eine genaue Abstimmung der verschiedenen Polymere meistern, indem sie die Haftungseigenschaften sowie mechanischen und weiteren Eigenschaften der Werkstoffe genauestens aufeinander abgestimmt haben.

Dabei wird zunächst ein gut fließfähiges Silikon auf die Oberfläche der Blätter aufgebracht. Dieses benetzt die feinsten Strukturen auf der Blattoberfläche. Nachdem das Silikon ausgehärtet wurde, kann es von der Blattoberfläche abgezogen werden. Um ein genaues Abbild dieser Form zu schaffen, wird dann ein zweites Silikon mit geringfügig anderen Eigenschaften, beispielsweise was die Härte angeht, in diese erste Form gegossen. Die Kunst ist dabei, die Eigenschaften der Silikone so aufeinander abzustimmen, dass sich die Strukturen bis in den kleinsten Bereich nachbilden und gleichzeitig sich die ausgehärtete Replika der Blattoberfläche wieder gut und ohne Zerstörung der Strukturen von der Form trennt. „So ist es uns gelungen, Struktureinheiten bis in den unteren Mikrometerbereich abzubilden“, erklärt Guido Kickelbick. „Wir benötigen jedoch noch weiteren Entwicklungsbedarf, um auch die wenige Nanometer großen Strukturmerkmale abbilden zu können, aber für einen ersten Ansatz ist das Ergebnis schon erfolgsversprechend“, so der Polymer-Fachmann weiter.

Solche bioinspirierten Oberflächen sind vor allem wichtig, um nachhaltige Materialien zu schaffen, auch im Kontext des anstehenden Klimawandels. So benötigen beschichtete System nicht nur weniger Wasser für die Reinigung, sondern reflektieren auch das Licht diffus, was für Blendschutz-Anwendungen wichtig ist. Die Arbeit wurde im wissenschaftlichen Journal Langmuir veröffentlicht, das auch seine Titelseite dieser Studie widmete.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.uni-saarland.de/universitaet/aktuell/news/artikel/nr/23523.html

Quelle: Universität des Saarlandes (05/2021)


Publikation:
https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.langmuir.0c02806

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