Dienstag, den 15. Februar 2022 um 04:25 Uhr

Schutz vor dem molekularen Schredder

Pflanzen müssen sich an ihre Umwelt anpassen. Teil dieser Anpassungsreaktionen ist die Herstellung neuer und der Abbau nicht mehr benötigter Proteine. Dafür wenden Pflanzen viel Energie auf. Entsprechend gründlich muss der Proteinumsatz innerhalb der Pflanzenzelle reguliert werden. Wissenschaftler des Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg haben nun einen zellulären Mechanismus identifiziert, der Proteine stabilisiert, indem er deren Abbau verhindert.

Pflanzen sind an einen Standort gebunden und müssen sich an ihre Umwelt anpassen, auch an widrige Bedingungen. Teil dieser Anpassungsreaktionen ist die Herstellung neuer und der Abbau nicht mehr benötigter Proteine. Dafür wenden Pflanzen viel Energie auf. Entsprechend gründlich muss der Proteinumsatz innerhalb der Pflanzenzelle reguliert werden. Wissenschaftler des Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg haben unter der Leitung von Dr. Markus Wirtz und Prof. Dr. Rüdiger Hell nun einen zellulären Mechanismus identifiziert, der Proteine stabilisiert, indem er deren Abbau verhindert.

Pflanzen besitzen eine Vielzahl von Proteinen, die notwendig sind, um sich an Umweltbedingungen wie etwa Trockenstress anzupassen. Da ihre Herstellung viel Energie benötigt – etwa die Hälfte ihres Energiebedarfes wenden die Pflanzen dafür auf – müssen sie den Proteinumsatz präzise regulieren. Wie dies geschieht, haben die Heidelberger Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried und der Sapienza Universität in Rom (Italien) an der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) untersucht. Die Ackerschmalwand gehört zur Familie der Kreuzblütler und dient aufgrund ihrer kurzen Lebenszeit und ihres einfachen Genoms als Referenzpflanze.

Wie die Forscher erläutern, versehen Pflanzen ihre Proteine bereits bei deren Herstellung mit einer Kennzeichnung. Dazu wird ein Essigsäurerest am Beginn des Proteins angebracht. Dieser Vorgang betrifft mehr als 80 Prozent aller pflanzlichen Proteine und wird als N-terminale Acetylierung bezeichnet. Trotz ihrer weiten Verbreitung blieb lange unklar, wie sich die Acetylierung auswirkt. Die Heidelberger Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass sie einen Großteil der Proteine vor dem Abbau durch das sogenannte Proteasom schützt und damit ihre Lebensdauer verlängert. „Das Proteasom ist ein molekularer Schredder, der beschädigte oder nicht mehr benötigte Proteine in ihre Bestandteile zerlegt, sodass diese wiederverwertet werden können“, erläutert Prof. Hell.

In gentechnisch veränderten Pflanzen mit einer verringerten Protein-Acetylierungsrate wies das Team um Dr. Wirtz eine vielfach erhöhte Proteasom-Aktivität nach. Damit verbunden war ein beschleunigter Abbau von Proteinen. Zur Überraschung der Forscher blieb die Proteingesamtmenge innerhalb der Pflanzenzellen dennoch unverändert. Markus Wirtz: „Pflanzen gleichen den Verlust von nicht-acetylierten Proteinen durch die Herstellung neuer Proteine aus, vermutlich um die Proteinzusammensetzung als Reaktion auf Reize aus der Umwelt dynamisch anzupassen.“

Die Erkenntnisse der Pflanzenforscher sind möglicherweise auf menschliche Zellen übertragbar. Sie besitzen eine ganz ähnliche Maschinerie, die zahlreiche Proteine chemisch modifiziert und acetyliert. „Bei der Acetylierung scheint es sich um einen uralten Mechanismus zu handeln, der schon vor mehreren Milliarden Jahren in den Urvorfahren aller eukaryotischen Organismen entstand – Organismen, die einen echten Zellkern und eine hohe räumliche Aufteilung innerhalb der Zelle aufweisen“, sagt Prof. Hell.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/schutz-vor-dem-molekularen-schredder

Quelle: Universität Heidelberg (02/2022)


Publikation:
E. Linster, F. L. Forero Ruiz, P. Miklankova, T. Ruppert, J. Mueller, L. Armbruster, X. Gong, G. Serino, M. Mann, R. Hell and M. Wirtz: Cotranslational N-degron masking by acetylation promotes proteome stability in plants. Nature Communications (10 February 2022), doi: 10.1038/s41467-022-28414-5

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.