Freitag, den 18. Februar 2022 um 04:51 Uhr

Bakterien können genauso aussterben wie Säbelzahntiger

Pierre Stallforth ist seit kurzem Professor für Bioorganische Chemie und Paläobiotechnologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zugleich baut er den weltweit neuartigen Forschungsbereich Paläobiotechnologie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) in Jena auf. Ziel seiner Forschung ist es, verschwundene Naturstoffe wiederherzustellen, die als Antibiotika gegen resistent gewordene Bakterien eingesetzt werden könnten. Ermöglicht wird das durch eine Förderung der Werner Siemens-Stiftung.

Pierre Stallforth hatte schon als Kind ein kleines Chemielabor im Keller seiner Eltern. Und auch wenn es das Kellerlabor mittlerweile nicht mehr gibt, ist seine Faszination für chemische Strukturen geblieben. „Antibiotika sind oft Naturstoffe mit einer sehr komplexen, dreidimensionalen Struktur“, erklärt Stallforth. „Ihre Architektur ist nicht vergleichbar mit einer kleinen Hütte, eher mit dem Buckingham-Palast.“

An der Antibiotika-Forschung fasziniert ihn unter anderem die Verbindung von Grundlagenforschung und relevanter Anwendung. Den wachsenden Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken ist eine der großen globalen Herausforderungen der kommenden Jahre. Gleichzeitig forschen Pharmaunternehmen so gut wie gar nicht an neuen Wirkstoffen, da es sich für sie finanziell nicht lohnt. „Neue Antibiotika sollten nur als Reserveantibiotika eingesetzt werden, damit sich nicht zu schnell neue Resistenzen gegen sie entwickeln“, erläutert Stallforth.

Nach dem Chemie-Studium in Oxford promovierte Pierre Stallforth an der ETH Zürich, wo er bakterielle Zuckerverbindungen für hitzeresistente Impfstoffe synthetisierte. Dort und in seinem Postdoktorat an der Harvard Medical School in Boston wuchs seine Faszination für die chemische Struktur von Naturstoffen. „Das Leibniz-HKI ist eines der wichtigsten Zentren für Naturstoff-Forschung. Da war es schon fast selbstverständlich, dorthin zu gehen“, sagt er. 2013 wurde er Leiter der Nachwuchsgruppe „Chemie Mikrobieller Kommunikation“. Um miteinander zu interagieren nutzen Mikroorganismen kleine Moleküle, einige davon sind antibiotisch wirksam. „Antibiotika sind ursprünglich nicht dazu da, Krankheiten zu heilen, sondern regeln das Zusammenleben von Bakterien und anderen Mikroben“, stellt Stallforth klar. „Wenn wir dieses Zusammenleben besser verstehen, können wir auch neue Antibiotika finden“.
Archäologie trifft Biotechnologie

Dafür suchen Forschende gerne an abgelegenen, wenig erforschten Orten – beispielsweise in Gegenden, in denen bisher noch selten Antibiotika eingesetzt wurden. Doch warum nicht auch an zeitlich abgelegenen Orten suchen? „Im Rahmen meiner Arbeit im Exzellenzcluster Balance of the Microverse habe ich die Archäologin Christina Warinner kennengelernt, die in prähistorischen Proben nach Resten von Bakterien sucht, vor allem im Zahnstein von Frühmenschen“, erzählt Stallforth. Warinner leitet die Forschungsgruppe Archäogenetik am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und ist Professorin an der Harvard University und an der Universität Jena.

„Ich fand die Möglichkeit interessant, diese Proben als Quelle für noch unentdeckte Naturstoffe zu nutzen“, so Stallforth. Die Moleküle der frühzeitlichen Bakterien könnten ganz andere Wirkweisen haben als die heutiger Mikroorganismen. „Bakterien können genauso aussterben wie der Säbelzahntiger“, erläutert Stallforth. Etwa durch gesellschaftliche Veränderungen, neue Essgewohnheiten oder in jüngerer Zeit eben durch Antibiotika. So lassen sich in den uralten Bakterien möglicherweise antibiotisch wirksame Naturstoffe finden, die von heutigen Mikroorganismen nicht mehr hergestellt werden.

Das Treffen stellte sich als ein Glücksfall heraus. Ein erstes gemeinsames Projekt zum Erbgut eines mittelalterlichen Skeletts verlief erfolgreich und Stallforth und Warinner sahen die Chance, Archäologie, Genetik, Chemie und Mikrobiologie viel stärker miteinander zu verbinden, als dies bislang der Fall war. Eine Förderung der Werner Siemens-Stiftung ermöglichte es ihnen dann, im Jahr 2020 mit dem Aufbau des weltweit neuartigen Forschungsbereichs Paläobiotechnologie zu beginnen. Warinner ist mit ihrer Gruppe mittlerweile ebenfalls am Leibniz-HKI assoziiert, beide Gruppen ziehen demnächst in das neue Biotech-Center des Instituts und können so noch enger kooperieren.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.uni-jena.de/110215-stallforth-hki

Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (02/2022)

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