Mittwoch, den 12. Mai 2010 um 09:34 Uhr

Stoffwechsel von Bakteriengemeinschaften wird sichtbar

Überall begegnen uns Bakteriengemeinschaften - von der Erde im Blumentopf bis zum menschlichen Darm erfüllen diese Gemeinschaften wichtige Funktionen. Forscher haben nun eine Methode entwickelt, um den Stoffwechsel von Bakteriengemeinschaften genau zu studieren. Dabei wird es erstmals durch den Einbau von stabilen Kohlenstoffisotopen in Proteine mit einem neuen am UFZ entwickelten Algorithmus möglich, natürliche Abbauprozesse viel detaillierter als bisher zu untersuchen, Schlüsselorganismen zu identifizieren und deren Zusammenwirken bei komplexen Abbauprozessen aufzuklären.
Die neue, Protein-SIP genannte Technik ermöglicht eine sehr genaue Bestimmung des Kohlenstoffflusses in mikrobiellen Gemeinschaften, schreiben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Max-Planck-Institutes für Infektionsbiologie sowie der Universitäten Oslo und Greifswald im Fachblatt Molecular and Cellular Proteomics.
Bisher war es zwar über DNA- oder RNA-Analysen möglich, Arten mit aktivem Stoffwechsel zu bestimmen. Mit der neuen Methode können darüber hinaus Kohlenstoffflüsse und damit Nahrungsketten innerhalb einer mikrobiellen Gemeinschaft erfasst werden. Das Zusammenspiel einzelner Gruppen von Mikroorganismen innerhalb der Gemeinschaft kann so analysiert werden.

„Forscher erstellen Katalog der Darmbakterien-Gene“, „Bakterien verraten den Mörder“ – solche und ähnliche Schlagzeilen zeigen, dass Mikrobiologen momentan weltweit mit Hochdruck daran arbeiten, die Welt der Bakterien auf und im Menschen zu erforschen. Die Bandbreite der potenziellen Anwendungen scheint riesig und könnte von der Rechtsmedizin über die einfachere Bestimmung von Krankheiten bis hin zu völlig neuen Therapiemöglichkeiten reichen. Doch mit der Bestimmung der Gene allein ist es nicht getan, denn die Bakterien leben nicht allein, sondern in großen Gemeinschaften. „Das ist wie in einer Stadt mit vielen Menschen. Stellen Sie sich vor, dort bricht ein Feuer aus. Dann gibt es normalerweise Feuerwehrmänner. Fehlen diese, dann müssen andere eingreifen oder es kommt zur Katastrophe“, erklärt Dr. Ingo Fetzer vom UFZ. „Nur wer ist für was innerhalb dieser mikrobiellen Gemeinschaften zuständig? Das ist eine wichtige Frage, bei der die Wissenschaft noch ganz am Anfang steht.“ Und dabei geht es nicht nur um die Darmflora des Menschen. Mikroben sind winzige Lebewesen, die vom menschlichen Auge unbemerkt alle großen biologischen Prozesse der Erde steuern: egal ob im globalen Kohlenstoffkreislauf, bei der Remineralisierung von organischem Material oder auch dem Abbau von Schadstoffen – sie sind überall dabei.

Auf fünf bis 100 Millionen Arten wird die Vielfalt der höheren Lebewesen auf unserem Planeten geschätzt. Über die Anzahl der Arten von Mikroorganismen gibt es nur vage Vermutungen. Folglich muss sich die Forschung auf einige wenige konzentrieren. Wie lassen sich aber die Schlüsselorganismen in mikrobiellen Gemeinschaften identifizieren? Um diese Frage besser beantworten zu können, kombinierten Forscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung den Einsatz von stabilen Isotopen mit der Messung von Proteinen per Massenspektrometrie und der Bioinformatik. In dem neuen Verfahren werden mikrobielle Gemeinschaften mit einer Kohlenstoffquelle gefüttert, die neben dem normalen Kohlenstoff 12C das sogenannte schwere, nicht-radioaktive Isotop 13C enthält. Diese beiden Isotope unterscheiden sich in ihrem Gewicht um 1,0035 atomare Masseneinheiten. Weil diese Isotope stabil sind, wird die Methode auch stable isotope probing (SIP) genannt. Nachdem die Bakterien das isotopenmarkierte Substrat aufgenommen haben, werden die 13C -Atome in die Proteine der Bakterien eingebaut. Die Bakterien, die das Substrat direkt verwerten, bauen das 13C zuerst ein. Andere Bakterienarten verwerten wiederum lediglich Stoffwechselprodukte der Erstverwerter und bauen dementsprechend weniger 13C und dieses auch erst später in ihre Proteine ein. Für die Analyse werden die Proteine aller Bakterienarten einer Probe extrahiert und durch das Enzym Trypsin in spezifische Fragmente geschnitten. Diese werden per Massenspektrometer analysiert. Die Analyse ergibt dann die Aminosäuresequenz der Peptide und verrät nach dem Abgleich mit einer Genomdatenbank deren Herkunft, also das Bakterium aus welchem das Peptid stammt. Peptide sind Bruchstücke von Proteinen - also organische Verbindungen aus mehreren Aminosäuren. Diese bestehen hauptsächlich aus Kohlenstoff und Stickstoff, die zu den Grundbausteinen aller Moleküle in Organismen gehören und damit auch in mikrobiellen Mischkulturen weitergegeben werden. In einem zweiten Schritt wird nun ermittelt, wie viel 13C eingebaut wurde. Der Anteil von 13C weist dann die Stoffwechselaktivität des jeweiligen Bakteriums elegant und mit guter Präzision nach. „Wir haben diese Schlüsseltechnologie erstmals 2008 in einer Gemeinschaftsarbeit zweier UFZ-Departments zur Analyse der Stoffwechselaktivität einer einzelnen Bakterienart in einer Mischkultur erprobt. An der Aufklärung von Struktur und Funktion von mikrobiellen Gemeinschaften, die am Abbau von Schadstoffen beteiligt sind, arbeiten wir schon länger. Aber erst durch präzisere Messungen, die die neuen Massenspektrometer erlauben, wurde ein Durchbruch in der Entwicklung dieser Methode erzielt“, sagt PD Dr. Martin von Bergen (Department für Proteomik).

Nun ist es möglich, das Ausmaß des Einbaus von 13C in die Peptide anhand der Nachkommastellen zu berechnen. Dabei machen sich die Forscher die Abweichung von 0,0035 atomaren Masseneinheiten zu Nutzen, die über die theoretisch eigentlich genau 1,000 atomaren Massenunterschiede zwischen 12C und 13C hinausgehen. Da über 20 Kohlenstoffatome in einem Peptid zu finden sind, verschiebt sich die Nachkommastelle über etwa 0,07 atomare Masseneinheiten. „Unser neuer Algorithmus wird die Arbeiten in der Zukunft signifikant erleichtern. Diese Methode hat großes Potenzial für die Untersuchung von Gemeinschaften, wie sie im Zentrum der mikrobiellen Ökologie stehen“, freut sich Prof. Hauke Harms (Department für Umweltmikrobiologie).

Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der EU sollen nun die Schlüsselorganismen im Abbau von Umweltschadstoffen wie Benzol und polyzyklischen Kohlenwasserstoffen ohne Sauerstoff identifiziert werden. „In Ergänzung zu den anderen Techniken ist Protein-SIP ein sehr gut geeignetes Werkzeug, um zum Beispiel das Nahrungsnetzwerk beim Benzolabbau aufzuklären. In Projekten mit nationalen und internationalen Partnern wird Protein-SIP bereits zur Kennzeichnung der Stoffwechselaktivitäten von Methanbakterien aus Erdöllagerstätten oder des Methankreislaufes in marinen Sedimenten verwendet“, ergänzt PD Dr. Hans Richnow (Department Isotopenbiogeochemie). Diese Arbeiten haben Bedeutung für unsere Energiesicherung und Erhaltung der Umweltqualität.

Mit der Methode des Protein-SIP ist es möglich geworden, den Kohlenstofffluss innerhalb von Mischkulturen nachzuvollziehen. Mögliche weitere Anwendungen liegen in der Bearbeitung von Biofilmen, wie sie in Klärwerken zum Einsatz kommen, in der Optimierung der Prozesse bei der Biogaserzeugung oder bei Untersuchungen der Interaktionen in der Darmflora des Menschen. Als nächstes wollen die Leipziger Forscher zunächst einmal die Beziehungen von den Bakterien im Darm von Termiten und Regenwürmern zu ihren Wirtsorganismen unter die Lupe nehmen.

Den ganzen Artikel finden Sie unter

http://www.ufz.de/index.php?de=19647

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) (05/2010)

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