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Dienstag, den 23. April 2019 um 08:29 Uhr

Mikroreaktoren für sauberes Grundwasser

Der Umweltchemiker Prof. Frank-Dieter Kopinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) ist heute mit dem Leipziger Wissenschaftspreis 2019 ausgezeichnet worden. Ihm gelang es mit seinem Team, neue Materialien - sogenannte Mikroreaktoren - zu entwickeln und in die Praxis zu überführen, die effizient und umweltfreundlich Chemikalien aus kontaminierten Grundwässern entfernen können. Er teilt sich den mit 10.000 Euro dotierten Preis mit der Chemikerin Prof. Evamarie Hey-Hawkins von der Universität Leipzig.

Grundwasser ist eine natürliche Ressource, aus der wir in Deutschland rund Dreiviertel unseres Trinkwassers gewinnen. Deshalb ist es aus ökologischer und volkswirtschaftlicher Sicht die beste Strategie, Grundwasser vorbeugend zu schützen. Alle guten Absichten können jedoch bestehende Schäden (Altlasten) nicht ungeschehen machen und das Entstehen zukünftiger Belastungen nicht ausschließen. Umweltchemiker und -ingenieure arbeiten deshalb weltweit daran, Methoden und Technologien zu entwickeln, mit denen sich Schadstoffe aus dem Grundwasser wieder entfernen lassen. Die derzeit verfügbare Palette reicht von Pump&Treat-Metho­den, bei denen die Schad­stoffe unter gut kontrollier­baren Bedingungen oberirdisch entfernt werden, über Funnel and Gate-Verfahren, bei denen die Reinigung über ein Tiefbauwerk im Grundwasserleiter erfolgt, bis hin zu Technologien, die auf die Injektion von Reagenzien direkt in den Grundwasserleiter setzen und diesen selbst als Reaktionsraum zu nutzen. Hier setzt die Idee von Prof. Frank-Dieter Kopinke und seinem Team am UFZ an.

Kopinke und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es gelungen, neue Materialien - sogenannte Mikroreaktoren - zu entwickeln, die in den verunreinigten Grundwasserleiter eingebracht werden und dort Schadstoffe einsammeln und chemisch abbauen können. Mikroreaktoren sind keine miniaturisierten technischen Reaktoren, sondern poröse Adsorbenzien wie Aktiv­kohle und Zeolithe, in deren Porenraum durch geeignete Reagenzien oder Katalysatoren chemische Reaktivität eingebaut ist. Der ge­schütz­te Poren­raum wird so zum Reaktionsraum. Die UFZ-For­scher um Kopinke haben bislang Mikroreaktoren entwickelt, die Schadstoffe durch reduktive Prozesse (CarboIronTM) oder oxidative Prozesse (TrapOxTM) abbauen können.

Beispiel CarboIronTM. Es besteht aus kolloidaler Aktiv­kohle und nanoskaligen Eisen­partikeln im Porenraum der Aktivkohle. Das metallische Eisen wirkt als starkes Reduktionsmittel, das eine Vielzahl von organischen Verbindungen, insbesondere Chlororganika, reduzieren kann. Typische Grundwasserschadstoffe wie chlorierte Ethene werden glatt in unbedenkliches, chlorfreies Ethen umgewandelt. Durch eine spezielle Oberflächenmodifizierung gelang es den Forschern auch, die nano­skaligen Eisen­­cluster so zu stabilisieren, dass deren Halb­wertszeit im Bereich von mehreren Jahren liegt, ohne dass gleichzeitig ihre De­chlorierungsaktivität darunter leidet.

Beispiel TrapOxTM. Nicht alle organischen Schadstoffe, wie zum Beispiel aromatische Kohlenwasserstoffe, sind durch chemische Reduktion unschädlich zu machen. Deshalb entwickelte das Team um Kopinke mit TrapOxTM einen Mikroreaktor für Oxidationsreaktionen. Er besteht aus Zeolithen, die mit Eisenionen beladen werden. Diese wirken katalytisch auf die Zer­setzung von Was­ser­stoffperoxid (H2O2), das ab und zu in den Grundwasserleiter injiziert wird. Da­bei werden in den Zeolithpartikeln Hydroxylradikale erzeugt, die zu den stärksten bekannten Oxidations­mitteln zählen. Sie sind in der Lage, nahezu alle organischen Chemikalien zu zerstören und unter günstigen Bedingungen bis zu den Endprodukten CO2 und H2O zu mineralisieren.

Neben diesem neuen wissenschaftlichen Ansatz besteht das große Verdienst Frank-Dieter Kopinkes in der beispielhaften Verknüpfung von Wissenschaft und Anwendung. Er ist überzeugt: "So spannend wissenschaftliche Erkenntnisse sein können, sie allein verändern (meist) noch nicht die Welt. Dafür ist ein Wissens- und Technologietransfer hin zu Praxisakteuren notwendig." So ist er nicht nur Hochschullehrer und weltweit anerkannter Wissenschaftler mit einer exzellenten Publikationsliste, sondern auch an mehr als 50 Patenten beteiligt (davon 37 Patente seit 1992) und ein gesuchter Kooperationspartner in Industrie und Praxis. Das zeigen zahlreiche Kooperationen und gemeinsame Projekte mit namhaften Unternehmen der Chemie- und Umwelttechnik-Industrie, aber auch mit jungen Startup-Unternehmen. Das Mikroreaktor-Konzept wird gemeinsam mit den Firmen intrapore GmbH aus Essen und ScIDre GmbH aus Dresden vermarktet. Diese Firmen treten als Lizenznehmer des UFZ auf, stellen die entsprechenden Produkte nach UFZ-Rezepten her und führen gemeinsam mit den UFZ-Experten Feldversuche zur Erprobung neuer Produkte unter realen Bedingungen durch. All dies dient dem gemeinsamen Ziel, UFZ-Technologien erfolgreich in den Markt zu etablieren. Kopinke agiert dabei nicht als Einzelkämpfer. An seiner Seite stehen zahlreiche engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seines Departments.

Frank-Dieter Kopinke, geb. 1951 in Leipzig, studierte ab 1970 an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg Ver­fah­­rens­che­mie. Bereits sechs Jahre später, 1976, schloss er sein Studium mit der Promotion ab und begann seine berufliche Laufbahn an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Leipzig. Dort forschte er bis 1989 über thermische Prozesse der Erdölverarbeitung. Nach einem einjährigen Gastaufenthalt 1991/92 am Institut für Petrochemische Synthese der Reichsuniversität Gent (Belgien) sowie einer Vertretungsprofessur für Technische Chemie an der TU Berlin gehörte Frank-Dieter Kopinke 1992 zu den ersten Wissenschaftlern am neu gegründeten Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Zunächst war er als Abteilungsleiter im Bereich Sanierungsforschung tätig, seit 2003 leitet er das Department für Technische Umweltchemie und  seit 1998 ist er Honorarprofessor an der Universität Leipzig.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=19/2019

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) (04/2019)

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