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Donnerstag, den 25. April 2019 um 04:52 Uhr

Eine Brennstoffzelle in Bakterien

Der Austausch von Stickstoff zwischen der Atmosphäre und der Biomasse ist wesentlich für alles Leben auf der Erde, da Stickstoff ein zentraler Bestandteil aller lebenswichtigen Moleküle ist. Er ist zum Beispiel ein Baustein von Proteinen oder auch unserer Erbinformation – der DNA. Ein zentraler Mechanismus für diesen Austausch, der erstmals in den 1990ern entdeckt wurde, ist der Anammox-Prozess, der in bestimmten Bakterien zu finden ist. Er funktioniert über das Zwischenprodukt Hydrazin –  ein hoch- reaktiver Stoff, der vom Menschen als Raketentreibstoff genutzt wird. Forscherinnen und Forscher am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung beschreiben nun, in Zusammenarbeit mit Kollaborationspartnern am Max-Planck-Institut für Biophysik und an der Radboud Universität in den Niederlanden, die Struktur eines der involvierten Enzyme. Das Enzym katalysiert den letzten Schritt im Prozess: es wandelt Hydrazin in Stickstoffgas um und speichert die dabei freiwerdende Energie. Die Ergebnisse, die gerade in Science Advances publiziert wurden, zeigen ein beispielloses Netzwerk aus Häm-Gruppen, das die große Anzahl freiwerdender Elektronen während der chemischen Umwandlung aufnimmt.

Der biogeochemische Stickstoffkreislauf

Stickstoff – in Form von Stickstoffgas (N2) – macht circa 80 Prozent unserer Atmosphäre aus, während elementarer Stickstoff in der Erdkruste nur in sehr geringen Mengen vorkommt. Alle lebenden Organismen benötigen Stickstoff, der ein wichtiger Bestandteil essentieller Moleküle ist. Die in der Atmosphäre vorkommende Form kann jedoch von den meisten Organismen nicht direkt verwendet werden, sondern muss erst umgewandelt werden. Diese Umwandlung in verwertbare und reaktivere Formen von Stickstoff wird von einer Vielzahl an Bakterien durchgeführt, die so zum Stickstoffkreislauf beitragen.

Anammox-Bakterien – eine Abkürzung durch die Mitte

In den 1990ern entdeckten Wissenschaftler einen einzigartigen Prozess in Bakterien: die Anaerobe Ammonium-Oxidation (Anammox). „Heute gehen wir davon aus, dass durch diesen Prozess jährlich 30 bis 70 Prozent des Stickstoffs aus den Weltmeeren entfernt wird“, erklärt Thomas Barends, Forschungsgruppenleiter am MPI für medizinische Forschung in Heidelberg. „Aus diesem Grund werden Anammox-Bakterien weltweit in Klärwerken genutzt“, ergänzt Cornelia Welte (Radboud Universität). Während des Prozesses wandeln die Bakterien Nitrit und Ammonium in Stickstoffgas (N2) und Wasser um. Dabei entsteht Energie für die Zelle. Das Molekül Hydrazin wird in einem Zwischenschritt produziert. Der Mensch nutzt es meist als Raketentreibstoff, doch die Verwendung als „Treibstoff“ durch Bakterien ist exotisch und aufgrund der hohen Toxizität in lebenden Organismen eher überraschend. Welte: „Bis heute wurde Hydrazin nur in Anammox-Bakterien gefunden“. Außerdem wusste man noch nicht, wie die Bakterien es schaffen, die während der Umwandung von Hydrazin freiwerdende Energie zu nutzen.

Die Forschungsgruppe und ihre Kollaborationspartner beschreiben nun die Kristallstruktur des verantwortlichen Enzyms Hydrazindehydrogenase und präsentieren unerwartete Ergebnisse. Sie lösen damit einen weiteren Teil des Anammox-Puzzles auf, nachdem sie in vorangegangenen Publikationen bereits die Struktur der Enzyme Hydrazinsynthase und Nitritreduktase aufklärten.

Vom giftigen Raketentreibstoff zum harmlosen Stickstoffgas – der Hydrazindehydrogenase (HDH)-Komplex

„Man könnte den HDH-Komplex mit einer Brennstoffzelle vergleichen, in deren Steckdose nur bestimmte Stecker passen“, beschreibt Thomas Barends die Struktur und den Mechanismus des HDH-Komplexes. Der „Treibstoff“ Hydrazin gelangt durch einen Kanal an der Außenseite in den Proteinkomplex. Das Enzym katalysiert dann die Umwandlung von Hydrazin in Stickstoffgas (Oxidation). Während der Reaktion werden vier Elektronen frei, die auf ein beispiellos großes Netzwerk von 192 Häm-Gruppen übertragen werden. Die Elektronen können von dort in andere Teile des Bakteriums transportiert werden, vergleichbar mit dem Übertrag von Strom auf einen elektrischen Verbraucher. Dieser Verbraucher generiert dann Energie für die Zelle.

Die Lücken schließen

„Wir suchen nun nach dem Protein, das die Elektronen, die im Häm-Netzwerk des HDH-Komplexes gespeichert sind, aufnimmt“, erklärt Mohd Akram, Postdoktorand in der Forschungsgruppe von Thomas Barends und erster Autor der Veröffentlichung. Aus der Struktur lässt sich ableiten, dass vermutlich nur kleine Proteine in den Komplex eintreten können, um die Elektronen in einem kleinen Hohlraum im Inneren aufzunehmen und sie dann abzutransportieren. Diese Art der Selektion der Träger-Proteine könnte sicherstellen, dass die Elektronen an den richtigen Ort in der Zelle gelangen, an dem sie zur Erzeugung von Energie genutzt werden.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.mpimf-heidelberg.mpg.de/14317217/pmhdh

Quelle: MPI für medizinische Forschung (04/2019)

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