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Freitag, den 21. Juni 2019 um 04:26 Uhr

Verborgene Proteinstrukturen sichtbar machen

Forschungsorientierte Lehre und interdisziplinäre Kooperationen zahlen sich aus: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Konstanz entwickelten einen spektroskopischen Ansatz zur Untersuchung von bisher schwer zugänglichen Proteinstrukturen. Im Digitalmagazin der Universität Konstanz „campus.kn“ berichten wir über die neue Herangehensweise und ihre Entwicklung an der Schnittstelle zwischen Biologie und Chemie.

Mit Hilfe der Infrarotspektroskopie machten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Konstanz die Wechselwirkung zwischen dem Protein p53, einem sogenannten Tumorsuppressor, der den Zellzyklus kontrolliert, und Poly(ADP-Ribose) und Desoxyribonukleinsäure (DNA) auf molekularer Ebene sichtbar. Das nukleinsäure-ähnliche Biopolymer Poly(ADP-Ribose) dient als Signalüberträger in der Zelle und steht in engem Zusammenhang mit der Regulierung von Proteinaktivität. Somit können Aussagen über molekulare Reaktionen bei Zellstress, wie beispielsweise Schäden an der DNA, die eine potenzielle Tumorgefahr darstellen, getroffen werden. Zum einen ist die Grundlagenforschung zu den Vorgängen bei DNA-Schäden für das Verständnis von Krebsentstehung und Alterung entscheidend. Zum anderen tragen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dieser innovativen Herangehensweise zur Weiterentwicklung der Forschung in ihrem Feld bei. Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift Nucleic Acids Research der Oxford University Press veröffentlicht.

In der vorliegenden Studie haben wir diese Methode nun eingesetzt, um die Interaktion von biologischen Makromolekülen zu untersuchen, die in der zellulären Stressantwort infolge von DNA-Schädigung eine entscheidende Rolle spielen“, erklärt Karin Hauser, Professorin für Biophysikalische Chemie an der Universität Konstanz.

Vor diesem Hintergrund ist die Verknüpfung zwischen der Methode und dem Anwendungsfeld angestoßen worden. Kurz darauf hat die Life Science-Absolventin Annika Krüger mit ihrer Doktorarbeit begonnen. Ihr Forschungsprojekt wurde über ein Stipendium der Graduiertenschule Chemische Biologie und dem Zukunftskolleg gefördert. In ihrer Arbeit entwickelte Annika Krüger ein maßgeschneidertes Verfahren, die Infrarotspektroskopie zur Untersuchung von Protein-Nukleinsäure-Wechselwirkungen einzusetzen und damit strukturelle Änderungen im Protein zu beobachteten.

Strukturelle Veränderungen dokumentieren

Ganz so einfach gestaltete sich die Anwendung anfangs allerdings nicht: Das untersuchte Protein p53 ist äußerst komplex. Um die flexiblen Proteinstrukturen im p53-Molekül infrarotspektroskopisch zu untersuchen, mussten bestehende Messverfahren angepasst und weiterentwickelt werden. Es galt, unspezifische Wechselwirkungen des Proteins während der Messung zu vermeiden und die Interaktionspartner von p53 gezielt an eine Oberfläche zu binden. Erst durch diese Modifikationen konnte die enorme Empfindlichkeit der Infrarotspektroskopie voll ausgeschöpft und kleinste Änderungen in der Proteinstruktur untersucht werden.

Annika Krüger erkannte das Potenzial dieser Messmethode gegenüber konventionellen Strukturanalysetechniken, da sie insbesondere die dynamischen Strukturbereiche des p53-Proteins erfassen kann. Annika Krüger erklärt, dass diese sogenannten intrinsisch ungeordneten Bereiche innerhalb des Proteins, die bisher größtenteils unerforscht sind, eine zentrale Rolle in der Regulation von p53 spielen. „Nun müssen wir diese dynamischen Bereiche nicht mehr ausschließen, sondern können beobachten, wie diese reguliert werden und was sie für Effekte auf das Bindungsverhalten und auf die Gesamtstruktur des Proteins haben“, erläutert Annika Krüger.

Ein Wechselspiel der Moleküle

Dieser spektroskopische Ansatz ermöglicht auch, Aussagen über Wechselwirkungsmechanismen mit anderen Molekülen zu treffen. Mit dem Ziel, die verschiedenen Bindungsmechanismen in der zellulären Stressantwort besser zu verstehen, untersuchten die Konstanzer Wissenschaftler die Interaktion des Proteins p53 mit DNA und dem Biopolymer Poly(ADP-Ribose), kurz PAR.

PAR spielt in der zellulären Stressantwort infolge von DNA-Schädigungen eine wichtige Rolle. Im Fall von DNA-Schäden wird PAR im Zellkern gebildet und dient als Signal, um die zelluläre Stressantwort zu koordinieren. Hierdurch wird beispielsweise auch die Proteinaktivität von p53 reguliert. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob das Protein p53 nach der Bindung an PAR seine Struktur und damit möglicherweise auch seine Funktion verändert. „Es war bekannt, dass PAR hoch-affin an p53 bindet, es war aber nicht bekannt, was danach mit dem Protein auf struktureller Ebene passiert“, erklärt Aswin Mangerich die Ausgangslage.

Mit Hilfe der weiterentwickelten Methode fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass sich die Bindung von p53 an PAR von der an DNA unterscheidet. Durch die kleinen aber deutlich sichtbaren Strukturunterschiede kam Annika Krüger zu dem Schluss, dass es zwei unterschiedliche Bindungsmechanismen geben müsse, welche möglicherweise eine wichtige Rolle in der Regulation von p53 spielen. Das Ergebnis macht deutlich, wie der methodische Ansatz detaillierte Erkenntnisse über die Vorgänge in der Zelle ermöglicht.

Das Autorenteam ist sich einig: Die enge Verzahnung zwischen den Disziplinen Biologie und Chemie an der Universität Konstanz hat entscheidend zu diesem Erfolg beigetragen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Weiterentwicklung der Methode ermöglichten einen Blick auf die flexiblen Bereiche eines Proteins und deren Funktion, der bisher einzigartig ist. Dieses Verständnis soll zu einer fundierten Grundlage für zukünftige Forschung zu Krebsentstehung und Alterung beitragen.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.campus.uni-konstanz.de/wissenschaft/verborgene-proteinstrukturen-sichtbar-machen

Quelle: Universität Konstanz (06/2019)


Publikation:
Annika Krüger, Anna Stier, Arthur Fischbach, Alexander Bürkle, Karin Hauser, Aswin Mangerich, Interactions of p53 with poly(ADP-ribose) and DNA induce distinct changes in protein structure as revealed by ATR-FTIR spectroscopy, Nucleic Acids Research, 2019, 47:9, 4843–4858 (https://doi.org/10.1093/nar/gkz175)

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