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Donnerstag, den 06. August 2020 um 07:54 Uhr

Humane zellbasierte Testsysteme für Toxizitätsstudien: Ready-to-use Tox-Assay (hiPS)

Seit Anfang 2020 koordiniert das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT das von EIT Health geförderte Projekt »R2U-Tox-Assay: Ready-to-use Toxicity Screening Assay based on iPS-Technologies«. Ziel hierbei ist es, innovative Toxizitätsassays für die Wirkstoffforschung zu entwickeln, die auf humanen Zellsystemen basieren. Dadurch sollen in präklinischen Phasen unerwünschte Nebenwirkungen von Wirkstoffkandidaten besser vorhergesagt sowie Tierversuche in der Pharmazieforschung reduziert werden.

Leider gehören in pharmazeutischen Studien oft Nebenwirkungen von Wirkstoffen zum Alltag. Als Folge können schwerwiegende Komplikationen in täglichen klinischen Routinen entstehen. Toxische Effekte, insbesondere im kardialen und neuronalen Bereich, sind Hauptursachen dafür, dass zunächst vielversprechende Wirkstoffe in späten präklinischen Studien oder gar nach der Marktzulassung zurückgezogen werden müssen. Stand der Technik in der Wirkstoffforschung sind nach wie vor In-vitro-Zellkulturmodelle, die auf tierischen Zellen basieren oder In-vivo-Tierversuche. Beide Systeme lassen sich meist nur unzureichend auf das menschliche System übertragen, so dass Nebenwirkungen erst spät entdeckt werden und sowohl ökonomische als auch gesundheitliche Schäden zur Folge haben. Daher besteht ein dringender Bedarf an signifikanten Testsystemen, die eine zuverlässige Vorhersage möglicher medikamenteninduzierter Toxizitäten beim Menschen erlauben.

Einsatz spezialisierter Zelltypen aus patientenspezifischen Stammzellen

Die Entdeckung der humanen induziert pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) mit ihrem einzigartigen Potenzial der unbegrenzten Selbstreplikation sowie ihrer Möglichkeit, in fast alle Zelltypen eines menschlichen Körpers differenzieren zu können, führte zu großen technischen Fortschritten im Bereich humaner zellbasierter Toxizitätsstudien. Dieses Zellsystem kann z. B. aus Hautbiopsien von Erwachsenen etabliert und dann in verschiedene Zelltypen, z. B. Herzmuskel- oder Nervenzellen, differenziert werden. Dadurch können einfach aber gezielt ganze Patientengruppen im Labor abgebildet und die für Toxizitätsstudien relevanten Zelltypen erzeugt werden. Aktuell sind jedoch die Abläufe in der Arbeit mit diesen Zellsystemen noch durch notwendiges großes praktisches Expertenwissen und hohen Zeitaufwand gekennzeichnet. Auch müssen diese »Assays« auf Bedarf produziert werden, sind nur in einem sehr begrenzten Zeitrahmen von wenigen Tagen lagerbar und in ihrem physiologischen Zustand nicht transportabel. Konventionelle kryobiologische Prozesse, d. h. das kontrollierte Abkühlen biologischer Proben unterhalb des Gefrierpunkts, sind bereits für Einzelzellen in Suspension etabliert. Sie lassen sich aber für die Assay-relevanten spezifischen Zelltypen Kardiomyozyten und Neurone, die auf Oberflächen wachsen und nur so ihre Funktionalität ausbilden, nicht anwenden.

Fraunhofer IBMT-Expertise: Anwendungsorientierte Kryokonservierung durch Vitrifikation

Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT besitzt jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Kryobiotechnologie und des Biobankings. Im Rahmen des Verbundprojekts »R2U-Tox-Assay« hat das Fraunhofer IBMT die Aufgabe übernommen, funktionelle Kardiomyozyten und Neurone aus hiPS-Zellen in skalierbaren Prozessen zu erzeugen und in standardisierten Laborgefäßformaten für Hochdurchsatzscreenings einzufrieren. Die Funktionalität dieser Zellen wird durch ihren Kontakt mit speziell beschichteten Oberflächen gewährleitet, der auch während des Abkühlvorgangs aufrechterhalten werden muss. Durch ultrahohe Kühlraten und einen speziellen Cocktail aus Gefrierschutzmittel werden kryogene Temperaturen unterhalb von 140 °C erreicht, ohne dass potenziell schädigende Eiskristalle innerhalb der Probe entstehen. In diesem Temperaturbereich sind die Proben zeitlich unbegrenzt lager- und transportfähig. Unmittelbar nach dem Auftauen sind sie in standardisierten Assays einsetzbar ohne die zeitlich aufwändigen Erholungsphasen, die eine konventionelle Kryokonservierung mit sich bringt.

Die drei beteiligten Verbundpartner kombinieren in »R2U-Tox-Assay« ihre jeweiligen Expertisen. Das Fraunhofer IBMT koordiniert das Projekt und übernimmt insbesondere die Aufgaben, signifikante humane Zellsysteme herzustellen sowie diese in anwendungsorientierten Formaten einzufrieren. Janssen Pharmaceutica N.V., Teil der Janssen Pharmaceutical Companies von Johnson & Johnson, validiert die entwickelten Testsysteme im pharmazeutischen Umfeld in bereits etablierten Wirkstoffscreenings. Das Institute for Bioengineering of Catalonia etabliert geneditierte sogenannte Reporterzelllinien, die eine schnellere Analyse potenziell toxischer Effekte innerhalb des Zellsystems zulassen.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.ibmt.fraunhofer.de/de/ibmt-presse-uebersicht-2020/presse-EIT-Health-R2U-Tox-Assay-2020-08-05.html

Quelle: Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT (08/2020)

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