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Dienstag, den 24. April 2018 um 05:18 Uhr

Biomarker für den Reizdarm

Nach wie vor ist zu wenig bekannt über die genauen Ursachen des Reizdarmsyndroms. Ein internationales Team unter maßgeblicher Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) liefert erste Hinweise auf die organischen Auslöser der Erkrankung, an der laut Schätzungen jeder Sechste in Deutschland leidet.

Über acht Jahre hat ein interdisziplinäres Team mit mehreren Kliniken in Europa unter der Leitung von Prof. Michael Schemann vom Lehrstuhl für Humanbiologie der TUM an einer Nachweismöglichkeit des Reizdarmsyndroms aufgrund einer organischen Veränderung geforscht. „Bisher werden Magen-Darm-Beschwerden nur aufgrund des Ausschlussprinzips diagnostiziert“, sagt Prof. Schemann zu der Studie. „Deshalb ging es uns darum, einen Biomarker zu finden, der ein Reizdarmsyndrom, zumindest bei einer bestimmten Patientengruppe, anzeigt.“

Veränderte Nervenfunktion als Auslöser

Wichtiger auslösender Faktor der Erkrankung ist eine veränderte Aktivität der Nerven in der Darmwand. Die daran beteiligten Faktoren sind Botenstoffe, die in der Darmwand, insbesondere in der Schleimhaut, freigesetzt werden. Daher lösen Schleimhautbiopsie-Überstände von Reizdarm-Patienten eine erhöhte Nervenaktivität aus, während Überstände von gesunden Probanden keinerlei Wirkung zeigen.

Zusätzlich untersuchten die Forscher Überstände von Patienten mit ruhender Colitis ulcerosa, die ebenfalls eine nervenaktivierende Wirkung hatten. Der Vergleich zwischen Patienten mit Reizdarm und Colitis ulcerosa war aus zwei Gründen wichtig: Einerseits wird postuliert, dass Reizdarm eine milde Form einer entzündlichen Darmerkrankung darstellt. Andererseits leiden Patienten mit ruhender Colitis an Reizdarm-ähnlichen Symptomen.

Zunächst konnten die Forscher nachweisen, dass die nervenaktivierende Wirkung der Reizdarm- und Colitis-Überstände im Wesentlichen durch Proteasen vermittelt wird, die nicht nur Verdauungsenzyme, sondern wichtige Signalmoleküle sind. Entscheidend war jedoch, dass die Nervenaktivierung der Reizdarm-Überstände von Proteasen abhängt, die einen ganz bestimmten Protease-aktivierten Rezeptor stimulieren, nämlich vom Typ 1 auch kurz PAR1 genannt. Im Gegensatz dazu spielte PAR1 keine Rolle bei der nervenstimulierenden Wirkung der Colitis-Überstände.

Daraufhin hat sich das Team genauer mit den Proteinen in den Überständen beschäftigt und herausgefunden, dass es ein Reizdarm-spezifisches Proteinmuster, insbesondere ein Reizdarm-typisches Proteaseprofil gibt. Mithilfe der Proteomanalyse konnten 204 Proteine identifiziert werden, deren Konzentration in den Reizdarm-Überständen gegenüber den Biopsien von gesunden Probanden oder Patienten mit Colitis ulcerosa unterschiedlich hoch waren. Darunter waren vier Proteasen, die ausschließlich in den Überständen von Reizdarmpatienten erhöht waren.

Doch was könnte die Nervenaktivierung im Patienten positiv beeinflussen neben einer PAR1-Blockade? Am Ende experimentierte das Team mit einem Proteasehemmer eines probiotischen Bifidobacterium longum-Stammes. Und eben dieser Hemmer blockierte die durch den Reizdarm-Überstand ausgelöste Nervenaktivierung.

„Zusammenfassend können wir sagen, dass das Proteasen-Profiling eine vielversprechende Strategie ist zur Entwicklung von Reizdarm-Biomarkern“, sagt Schemann – „sie stellen weitere Hinweise für definierte organische Ursachen des Reizdarmsyndroms dar.“


Den Artikel finden Sie unter.

https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/detail/article/34580/

Quelle: Technische Universität München (04/2018)


Publikation:
Sabine Buhner, Hannes Hahne, Kerstin Hartwig, Qin Li, Sheila Vignali, Daniela Ostertag, Chen Meng, Gabriele Hörmannsperger, Breg Braak, Christian Pehl, Thomas Frieling, Giovanni Barbara, Roberto De Giorgio, Ihsan Ekin Demir, Güralp Onur Ceyhan, Florian Zeller, Guy Boeckxstaens, Dirk Haller, Bernhard Kuster, Michael Schemann: Protease signaling through protease activated receptor 1 mediate nerve activation by mucosal supernatants from irritable bowel syndrome but not from ulcerative colitis patients, PLoS One 2018. DOI: 10.1371/journal.pone.0193943
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0193943

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