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Donnerstag, den 04. April 2013 um 07:12 Uhr

Immunzellen mit angezogener Handbremse

In frühen Stadien der fetalen Entwicklung sind Immunzellen praktisch wirkungslos, wie eine neue Studie zeigt. Die Ergebnisse erklären, warum Frühgeborene ein hohes Infektionsrisiko haben – und zwar umso mehr, je früher die Schwangerschaft zu Ende ging.

Normalerweise harmlose Erreger können bei Frühgeborenen schwere Infektionen auslösen. Dabei ist ihr Risiko umso höher, je früher die Kinder zur Welt kamen: Bis zu 60 Prozent der sehr unreifen Frühgeborenen, die vor der vollendeten 25. Schwangerschaftswoche geboren wurden, erkranken an einer schweren Sepsis - jedes Jahr sterben daran weltweit rund eine Million Frühgeborene. Ursache hierfür ist unter anderem ein unreifes Immunsystem, das kaum in der Lage ist, Erreger abzuwehren.

Liveschaltung zur Immunabwehr

Wissenschaftler um Professor Markus Sperandio, Neonatologe und Wissenschaftler am Walter-Brendel-Zentrum für Experimentelle Medizin, entwickelten nun in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Professor Ulrich von Andrian (Harvard Medical School, Boston, USA) ein neues Tiermodell, das erstmals erlaubt, Immunzellen direkt an lebenden Feten mikroskopisch zu untersuchen. „Weil bisher geeignete Modelle fehlten, ist über die fetale Immunologie noch wenig bekannt. Unser Modell bedeutet daher einen wichtigen Fortschritt, um den Ursachen für die schlechte Immunabwehr bei Frühgeborenen auf den Grund zu gehen“, betont Sperandio.

Die in der Zeitschrift BLOOD publizierten Ergebnisse der Wissenschaftler zeigen, dass weiße Blutkörperchen – sogenannte Leukozyten – bei jungen Feten nicht richtig funktionieren. Bei erwachsenen Tieren und Menschen vermitteln sie die Immunabwehr, indem sie aus dem Blut in entzündetes Gewebe einwandern. Dafür rollen die Leukozyten zunächst langsam an der inneren Wand der Blutgefäße entlang. Anschließend werfen sie den Anker: Sie heften sich mithilfe spezieller Proteine an die Gefäßwand an und wandern schließlich in die betroffenen Gewebe ein.

Leukozyten in frühen Stadien inaktiv

„In frühen Entwicklungsstadien allerdings sind die Leukozyten praktisch inaktiv: Die Fähigkeit zur Auswanderung ins Gewebe erwerben sie erst gegen Ende der Tragezeit“, sagt Sperandio. So waren fetale Leukozyten nach 14 von 21 Tagen Tragezeit in der Maus – was etwa vergleichbar mit 24 Schwangerschaftswochen beim Menschen ist -  nicht in der Lage, aus dem Gefäßsystem auszuwandern. Am 18. Tag dagegen konnten die Wissenschaftler viele rollende und an der Gefäßwand heftende Leukozyten beobachten.

Untersuchungen des Nabelschnurbluts von Babys, die die Wissenschaftler kürzlich im Journal of Leukocyte Biology veröffentlichten, bestätigen diese Ergebnisse auch für den Menschen:  Die Fähigkeit der Leukozyten, in infiziertes Gewebe einzudringen, hing dabei vom Schwangerschaftsalter ab: Je früher ein Frühchen geboren wurde, desto inaktiver waren seine Leukozyten.

„Bei sehr kleinen Frühgeborenen agiert das Immunsystem quasi mit angezogener Handbremse“, sagt Sperandio, „daher können Bakterien sich rasch und relativ ungestört vermehren“. Nun planen die Wissenschaftler, mithilfe groß angelegter genetischer Untersuchungen die Regulation der Leukozytenfunktion während der fetalen Entwicklung zu entschlüsseln – und so vielleicht auch den genetischen Schalter zu finden, der das Immunsystem des Fetus ausbremst. „Langfristig könnten dann neue therapeutische Ansätze erarbeitet werden, um die Leukozyten zu aktivieren und die Erkrankungs- und Sterblichkeitsrate von Frühgeborenen zu senken“, blickt Sperandio in die Zukunft.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2013/f-m-18-13.html

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (04/2013)

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