Volltextsuche

Top Suchbegriffe



Freitag, den 06. Februar 2015 um 05:18 Uhr

Schneller Umsatz von Sulfit

Einem Team aus Mikrobiologen der TU Darmstadt und Biochemikern der Universität Freiburg ist es gelungen, die hochaufgelöste Kristallstruktur eines Sulfit-reduzierenden Enzymkomplexes zu bestimmen und molekulare Details des Reaktionsmechanismus‘ aufzuklären. Die Forschung könnte die Biotechnologie voran bringen – maßgeschneiderte Mikroorganismen könnten bei der Entschwefelung von Rauchgasen aus Kraftwerken eingesetzt werden.

Die neuen Erkenntnisse wurden soeben in der Zeitschrift „Nature“ publiziert.

Sulfite (SO32-, HSO3-, S2O52-, SO2) sind natürlich vorkommende Substanzen, die schon in relativ geringen Konzentration toxisch auf viele Lebewesen wirken. Dies beruht auf ihrer hohen Reaktivität gegenüber den Grundbestandteilen biologischer Zellen wie Proteinen, Nukleinsäuren und Lipiden. Aus diesem Grund setzt man seit langem Sulfite zur Wachstumshemmung unerwünschter Mikroorganismen ein, beispielsweise zur Erhöhung der Haltbarkeit von Wein oder Trockenfrüchten.

Darüber hinaus spielen Sulfite eine wichtige Rolle im biogeochemischen Schwefelkreislauf sowie der Atmosphärenchemie, und sie stellen zentrale Metabolite im mikrobiellen Stoffwechsel von Schwefelverbindungen dar. So ist Sulfit ein Intermediat Sulfat-reduzierender Organismen. Daneben gibt es eine Reihe von Bakterien, die Sulfit im Energiestoffwechsel nutzen und durch die Sulfit-Reduktion zu Sulfid die nötige Energie zum Wachstum generieren.

Effiziente enzymatische Sulfit-Reduktion auf atomarer Ebene

Es handelt sich dabei um eine Form der sogenannten anaeroben Atmung, bei der der zentrale Energieträger der Zelle, das Adenosintriphosphat, mittels einer Elektronentransportkette erzeugt wird, durch die wiederum ein elektrochemisches Protonenpotenzial über der Zellmembran produziert wird. Ein typischer Modellorganismus für die Sulfit-Atmung ist das Bakterium Wolinella succinogenes, das natürlicherweise im Pansen von Wiederkäuern vorkommt.

Bislang waren verschiedene bakterielle Sulfit-reduzierende Enzyme bekannt, die jedoch relativ geringe Wechselzahlen besitzen. Anders das nun charakterisierte Enzym aus W. succinogenes, das Sulfit bis zu 100mal schneller reduziert (bis zu 200 Moleküle Sulfit pro Sekunde). Es handelt sich um ein Metalloprotein, das acht fest gebundene Hämgruppen besitzt und sich zwischen der Cytoplasma-Membran und der äußeren Membran der bakteriellen Zellen befindet, wo es homotrimere Komplexe ausbildet.

Mikrobiologen der TU Darmstadt (Arbeitsgruppe Professor Jörg Simon) und Biochemiker der Universität Freiburg (Arbeitsgruppe Professor Oliver Einsle) konnten nun die hochaufgelöste Kristallstruktur dieses Enzymkomplexes bestimmen und molekulare Details des Reaktionsmechanismus‘ aufklären.

Herausforderungen für die Zukunft

Die Struktur des trimeren Enzyms mit 24 Hämgruppen zeigt eindrucksvoll ein bisher unbekanntes aktives Zentrum der Sulfit-Reduktion, das durch eine der Hämgruppen in Kombination mit einem Kupfer-Ion gebildet wird, welches über zwei konservierte Cysteinreste gebunden wird. Die Position des ansonsten redox-inaktiven Kupfer-Ions verhindert dabei die Bindung des Sulfit-Anions an das Enzym, nicht aber die seines Dehydratisierungsprodukts Schwefeldioxid, welches im Strukturmodell auch nachgewiesen werden konnte. Ebenso konnte die Existenz des primären Reduktionsprodukts Schwefelmonoxid gezeigt und ein Modell für den vollständigen Reaktionsmechanismus der Sulfit-Reduktion zum Sulfid postuliert werden.

Die erzielten Daten zeigen ein atomares Bild eines neuartigen Häm-Kupfer-Enzyms, das die hohe Umsatzgeschwindigkeit für Sulfit erklärt und den möglichen Einsatz des Enzyms in der Biotechnologie einen Schritt voran bringt. Mit Mikroorganismen, die zur schnellen Sulfit- bzw. Schwefeldioxid-Reduktion fähig sind, wäre etwa eine Entschwefelung von Rauchgasen unter milden Bedingungen denkbar. Diese Möglichkeit und deren technische Umsetzung soll zukünftig im Forschungsschwerpunkt Synthetische Biologie am Fachbereich Biologie der TU Darmstadt untersucht werden.


Den Artkel finden Sie unter:

http://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/aktuell/einzelansicht_113024.de.jsp

Quelle: Technische Universität Darmstadt (02/2015)

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.